Interview mit Robert Roth
Herr Roth, wie kam es zur Gründung der Jobfactory?
Als ich in den 1970-er Jahren bei den damaligen Jugendunruhen ein besetztes Haus in Basel besuchte, wurde mir die prekäre Lebenssituation von jungen Leuten bewusst. Sie wurde oft durch fehlende Orientierung und Perspektiven verursacht. Das hat mich berührt und betroffen gemacht. Diese Betroffenheit empfinde ich noch heute, wenn ich mir die Situation der Jugendlichen in Europa und weltweit anschaue. Schon damals wusste ich: für mich heisst Perspektive geben Arbeit geben. Als dann 1998 das Problem der Jugendarbeitslosigkeit durch Lehrer an uns herangetragen wurde, haben wir den Handlungsbedarf erkannt. Es gab den Anstoss zu den Überlegungen, die schliesslich zur Gründung der Jobfactory im Jahr 2000 geführt haben. Sie ist ein Investment in die Zukunft. Die Privatwirtschaft will Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren. Diese Praxis stellen wir genau auf den Kopf.
Wieso ist es entscheidend, dass sich die Job factory im ersten Arbeitsmarkt bewegt?
Es geht darum, möglichst vielen jungen Menschen ein gesellschaftliches Mitwirken in der Wirtschaft zu eröffnen. Sie arbeiten mit realen Kunden und sammeln somit wertvolle Berufserfahrung. Das kann nur mit unternehmerischer Kraft geschehen. Da braucht es Produkte, Arbeitsfelder, Kunden und Umsatz – immer mitten im Markt mit all seinen Herausforderungen und Möglichkeiten. Dazu brauchen der Staat und seine Sozialsysteme die Unterstützung der Marktwirtschaft, da das Problem der Arbeitslosigkeit nur durch den Arbeitsmarkt selbst gelöst werden kann. Der Staat allein kann hier nicht weiterkommen. Die staatlichen Sozialgefässe sind zudem überlastet und kommen an ihre Grenzen. Die Jobfactory zeigt einen gangbaren Weg, wie soziale Verantwortung im Markt umgesetzt werden kann.
Warum sind besonders junge Leute von Arbeitslosigkeit betroffen?
Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Anforderungen in der Arbeitswelt sind kontinuierlich gestiegen. Es werden höhere Qualifikationen und eine grössere Leistungsbereitschaft erwartet. Da bringt ein grosser Teil der Jugendlichen die Voraussetzungen nicht mehr mit. Zudem wird der Wettbewerb in der globalisierten Arbeitswelt für Arbeitssuchende immer stärker spürbar. So bleibt es trotz der demografi schen Entwicklung für viele Jugendliche schwierig, einen geeigneten Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu finden.
Die Jobfactory hat Modellcharakter über die Schweiz hinaus. Wie kam das?
Wir spüren grosses nationales und internationales Interesse am Geschäftsmodell der Jobfactory. Unternehmer, Staats vertreter und Privatpersonen kommen zu uns, um unser einzigartiges Wirtschaftsmodell zu untersuchen und sich von der Jobfactory inspirieren zu lassen. Das Problem der Jugendarbeits losigkeit ist in vielen Ländern eine der dringlichen Herausforderungen. Dabei sollten arbeitslose Personen unter 25 Jahren keine Sozial- oder IV-Leistungen erhalten bevor nicht klar ist, welche detaillierten Bedürfnisse und Potenziale sie haben. Wir müssen anfangen, umzudenken und soziale Herausforderungen mit der Kraft des Marktes angehen. Die Jobfactory zeigt, dass dies möglich ist.
Robert Roth gründete im Jahr 1979 die Stiftung Weizenkorn. Die Jugendproblematik wurde in den darauffolgenden Jahren immer präsenter. Das veranlasste ihn und seine Kollegen aus dem Weizenkorn zur Gründung der Jobfactory im Jahr 2000.